Budapest - Belgrad (- Schwarzes Meer) 1997


Zähler: 44
Die Planung für diese Fahrt war von Budapest bis ans Schwarze Meer zu fahren. Aber ...

Donnerstag, 31. Juli 1997
Mit der Bahn: Abfahrt von Bruck um 21.30 Uhr in strömendem Regen. In nächtlichen Salzburg hatte ich 2 Stunden Aufenthalt, bis um 1.03 Uhr der Zug mit dem Liegewagen bis Budapest abfuhr.

Freitag, 1. August 1997
Um 7.28 Uhr bin ich in Budapest angekommen. Der Bahnhof Keleti wurde gerade renoviert. Bei der Gepäcksaufgabe in Zusammenarbeit mit dem Zoll löste ich um 310 Forint mein Rad aus. Das Rad hatte ich 5 Tage vorher in Zell / See weggeschickt.
Dann ging es los nach Süden. Regen kam auf und ich konnte nach meiner "nassen" Erfahrung aus dem Vorjahr meine neue Regenpelerine ausprobieren. Sie hat sich bewährt, aber bremste. Nass wurde ich trotzdem - ich schwitzte sehr viel. In den Taschen war alles in Plastiksäcken verstaut.
Mein erstes Ziel in Richtung Süden war Dunajvaros. Ein Mittagessen in einer Kantine beruhigte meinen Magen. Auch der Regen ließ nach.
In Paks hörte ich an diesem Tag schon um 16.00 Uhr auf, weil es immer wieder regnete. Im Hotel Duna um 2900 Forint fand ich Unterkunft. Nach einem kurzen Rundgang mit Besuch eines Gottesdienstes (ich kaufte mir einen Schul-Atlas), ging ich schon um 18.00 Uhr schlafen. Mein Gott, war ich müde.
Tageskilometer: 119 km

Samstag, 2. August 1997
Um 7.20 Uhr bin ich abgefahren. In Szekszard frühstückte ich. Mein Ziel für diesen Tag war Osijek (ca. 150 km). Der Regen hörte auf, starker Seitenwind trieb aber doch etwas, so konnte ich einen guten Schnitt fahren.
In Mohacs sind das Denkmal und Schlachtfeld der Schlacht bei Mohacs zu besichtigen (Mohács, Stadt in Ungarn, Schauplatz zweier wichtiger Schlachten: Am 29. 8. 1526 unterlag und fiel der Ungarnkönig Ludwig II. gegen Sultan Suleiman II., die Kronen Ungarns und Böhmens fielen darauf an die Habsburger. Am 12. 8. 1687 siegte Karl V. von Lothringen über die Osmanen).
Da Samstag war, fuhren keine Laster. Weiter ging es zur Grenze zu Kroatien bei Udaver.
Geldwechsel: 130.000 HUF (=Forint) = 420 Kuna (ca. 920 ÖS = 130 DM)
An der Grenze waren UN-Posten, die hier in Ostslawonien zur Friedenssicherung eingesetzt waren. Die Straße war wenig befahren, mehrere UN-Fahrzeuge (auch gepanzerte), Schriften in kyrillisch. Nur die zweisprachigen Ortsschilder stimmten mit meiner Karte überein. Immer wieder UN-Kasernen mit UN-Panzern, UN-Jeeps, UN-Schwerfahrzeugen.
Der UN-Sicherheitsrat beschloss im Januar 1996 die Entsendung von etwa 5 000 Soldaten und zivilen Beobachtern, die das Gebiet bei der Wiedereingliederung in kroatisches Staatsgebiet begleiten sollten (Jänner 1998).
Dort fand ich sehr viele zerstörte Häuser. In Beli Monastir fand ich im Geschäft nur ein halbes Weißbrot. Wurst, Käse und andere Sachen gab es nicht. Nur Mineralwasser bereicherte mein Mittagessen.
Dieser Raum war fast menschenleer, es war unheimlich. Immer wieder Absperrungen neben der Straße "POZOR MINE" = Achtung Minen!
Nach einer weiteren UN-Kontrolle in Bilje kam ich nach Osijek. Und da war ich wieder in einer lesbaren Welt. (Kyrillisch kann ich nicht). Osijek ist eine Gartenstadt - große Parks und wirkte sehr freundlich. In der Fußgängerzone hab ich Kaffe und Cola getrunken.
Eigentlich sollte mein Tagesziel erreicht sein, aber ich war noch fit genug, um weiter zu fahren. Den Wegweiser nach Vukovar folgte ich aus der Stadt. Aber dann war es seltsam. Von Kreuzung zu Kreuzung wurde der Verkehr weniger und schließlich war ich ganz allein auf der breiten Straße. Schnurgerade ging es. Die Straße war teilweise übersät mit Einschlägen von Granaten. Die Straße wurde enger (weil das Gras links und rechts hereinwuchs) und nach ca. 10 km war ein Stacheldrahtverhau über die Straße gespannt: "Pozor Mine!" und kein Mensch weit und breit. Ich hatte seit 20 Minuten kein Auto mehr gesehen und war offenbar in eine Sackgasse geraten. Was tun?
Neben der Straße um den Stacheldrahtverhau herum waren Fußspuren und auf der anderen Seite schien die Straße unversehrt. Ich schob das Rad um den Verhau herum und fuhr auf der einsamen Straße weiter. Doch schon nach 1 km kam ich an eine Kreuzung und damit auf eine belebte Straße (welch eine Erleichterung, andere Fahrzeuge zu sehen). Ich war offenbar zuerst auf eine gesperrte Umfahrung von Osijek geraten.
Munter fuhr ich weiter, aber dann kam die nächste UN-Kontrolle - keine Probleme. Und dann war es wieder einsam. Sehr wenig Autos und ich waren Richtung Osten unterwegs. Ich bin aus der "Insel" Osijek wieder in UN-Gebiet geraten.
Regen, die unbestimmte Sicherheit (in diesem UN-Gebiet), aufsteigende Dämmerung, eine schnurgerade Straße und hereinbrechende Dämmerung nervten ganz schön.
Bei einer Regenpause (ich hatte mich bei einem Haus untergestellt) kamen Bewohner und befragten mich (Hände, Füße, Zeichensprache und ähnliches), woher und wohin und gaben mir Tips, wie ich am besten nach Vukovar käme (natürlich immer geradeaus).
Endlich kam ich in Vukovar an. Aber was musste ich dort sehen. 90% der Häuser waren zerstört, die Kirche am Hügel kaputt, die Kirche in der Stadt kaputt. Dazwischen immer wieder einige wenige unversehrte Häuser.
 

Unterkunft fand ich im Hotel Dunav - eine Unterkunft für UN-Offiziere.
Tageskilometer 183 km

Sonntag, 3. August 1997
Ein Blick in meine Barschaft ergab, dass ich mein Ziel - das Schwarze Meer - abschreiben konnte. Ich hatte nur mehr wenig Geld. Ich brauchte unbedingt einen Bankomaten.
Etwas Regen, leicht gewelltes Gelände - und die Fahrt ging weiter. Bei Ilok / Backa Balanka (Republik Jugoslawien) entkam ich endlich der UN-Zone. Weiter geht es nach Novi Sad.

Dort sucht ich einen Bankomaten, und suchte, und suchte, fragte mich zum Bahnhof durch ... Antwort: Was ist ein Bankomat?
Eine Studentin (für Deutsch) geleitete mich mit ihrem Rad durch die Stadt zum Bahnhof, erklärte mir, dass es so etwas wie Bankomaten nicht gäbe, gab mir ein Heiligenbild (das ich auch jetzt noch auf meinen Radfahrten mit habe) und war offenbar glücklich, Deutsch sprechen zu können.
Also ohne zusätzliche Geldspritze fuhr ich weiter von Novi Sad nach Belgrad. Die Straße war mies, lauter Betonplatten, deren Kanten bis zu 15 cm Höhenunterschied hatten. Der Regen deckte dann Löcher in der Fahrbahn zu, LKWs überholten mich und machten so ein Pfützen-Ausweichen unmöglich.
In einem seelischen Tief entschloß ich mich, per Bahn von Belgrad nach Budapest zu fahren und dann heim.
Ein kurzer Spaziergang der Donau entlang und ein früher Abgang ins Bett beendeten diesen Tag.
Tageskilometer 161 km

Montag, 4. August 1997
Ich hatt mich über Nacht entschieden, nach Budapest zu fahren und von dort per Rad zurück nach Wien.
Das war ein komischer Tag. Ich bin zum Bahnhof (Stanica Zelenice) gefahren und hab mir die Fahrkarte nach Budapest gekauft. Aber das Fahrrad ging nicht über die Grenze, nur bis Subotica - der jugoslawische Grenzort. Ich fuhr gleich mit dem nächsten Zug und wartete in Subotica bis 15.00 Uhr in großer Hitze, bis mein Rad per Bahntransport nachgeliefert wurde. Subotica kenne jetzt ganz gut, fürchterlich heiß war es.
Ich holte mir das Rad, fuhr über die Grenze nach Ungarn zum ersten Bahnhof (Kelebia) und stiege mit meinem Fahrrad in einen "Pemperlzug" (Geschwindigkeit ca 30 km/h). Im Zug hatte ich eine längere Begegnung mit einer Zigeunerfamilie.
Erst um 22.30 Uhr kam ich in Budapest an. Zu spät, um noch eine günstige Unterkunft zu finden, daher City Panzio (123 DM).
Tageskilometer 36 km

Dienstag, 5. August 1997
Gleich radelte ich aus Budapest weg, die Donau entlang nach Norden. Vorbei an Nagymaros (geplantes Donaukraftwerk), über die Donau mit der Fähre durch die "Ungarische Wachau". Starke Schmerzen im rechten Fuß zwangen mich, an diesem heissen Tag in Esztergom die Reise abzubrechen. Mit verschiedenen "Pemperlzügen" (Radaufgabe in Györ nicht möglich, weil das Zollbüro seit 5 Minuten zu hatte) komme ich endlich nach Wien
Tageskilometer 77 km

Was ich mir gemerkt habe:
- Gespräch mit Bauern kurz vor Vukovar
- Zigeunerkinder im Zug waren sehr lästig mit ihrer Bettelei
- Kinder der Fahrtdienstleiterin in Kelebia (ungarischer Grenzbahnhof nach YU)
- Osijek muss ich noch mal besuchen
- Panonnische Tiefebene ist sicher wieder Ziel einer Radtour
- Minen im UN-Gebiet
- Zerstörte Häuser neben vollkommen intakten Häusern in Ostslawonien (Vukovar)
- Wien heißt Becs

Fazit: Regen, mangelnde finanzielle Vorsorge, Schmerzen machten diese Reise eigentlich zu einem Fehlschlag, aber jeder Reise ist besser als keine Reise. Die Erfahrungen, die man macht, rücken einem die eigene Situation ins rechte Licht. Das soll heissen, mir in Österreich geht es sehr gut (manchmal zu gut).